GroKo? No GroKo? – Zur Diskussion über die Sonderungsgespräche von CDU, CSU und SPD

Bild: Reiner Freese / x21 Photography

Die SPD steht vor einer wichtigen Entscheidung: Große Koalition (GroKo) oder „#noGroKo“? Seit Freitag diskutieren wir innerhalb der SPD die Ergebnisse der Sondierungsgespräche mit der Union. Und wir diskutieren intensiv. Viele Menschen haben mich nach meiner Meinung zum Sondierungspapier gefragt. Klar ist: Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns konkrete politische Verbesserungen. Der entscheidende Maßstab in dieser Diskussion muss sein, ob und wie wir konkrete Verbesserungen für unser Land durchsetzen können.

Pro: Korrekturen im Sozialbereich & eine Chance für Europa

Im Sondierungspapier werden einige wichtige Korrekturen vorgenommen. Es soll mehr Geld als bisher in Pflege und Gesundheit fließen, die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung ist eine richtige Kurskorrektur. Eine neue Familienförderung oder das Recht auf Ganztagsbetreuung in der Schule, der Rechtsanspruch auf Rückkehr in Vollzeit und die Solidarrente sind wichtige Akzente in der Sozialpolitik, die ganz klar eine sozialdemokratische Handschrift aufweisen. Dies alles wäre weder in einer Minderheitsregierung unter der Führung der Union und schon gar nicht in einer Jamaika-Koalition politisch möglich.

Und auch die Europäische Union braucht dringend eine Modernisierung, um weiteren Zersetzungstendenzen entgegenzuwirken. Die Verhandlungsergebnisse zu Europa sind da ein wichtiger Schritt nach vorne. Zusammen mit dem französischen Präsidenten Macron muss Deutschland hier eine Führungsrolle einnehmen. Aufgrund der anstehenden Europawahl im kommenden Jahr verbleibt in diesem Jahr nur ein sehr kleines Zeitfenster, um wegweisende Impulse für die Zukunft Europas zu setzen.

Contra: Wichtige Kernanliegen nicht umgesetzt

Doch trotz richtiger Tendenzen bleiben wichtige sozialdemokratische Kernprojekte auf der Strecke. Die Bürgerversicherung ist nicht drin und auch die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung ist so ein Beispiel. Meines Erachtens wichtige Punkte, um eine Zusammenarbeit mit der Union möglich zu machen. Der Erhalt der sozialen Wohnungsbauförderung nach 2019 ist offen. Für eine Stadt wie Berlin ist so ein Ergebnis nicht zufriedenstellend. Auch bei den Regelungen rund um Geflüchtete sehe ich Verbesserungsbedarf.

Also was tun?

Es fehlt eine gemeinsame Idee, wie man unser Land in das nächste Jahrzehnt führen kann. Und das Vertrauen in die Union auf Bundesebene als verlässlicher Partner ist beschädigt. Doch als politische Partei ist es unsere Aufgabe, Alternativen gegeneinander abzuwägen. Also was tun?

  • Ein kategorisches „Nein“ zur dieser Regierungskonstellation ist keine Lösung. Was wäre die Alternative? Die CDU wird sich nicht auf einer Minderheitsregierung einlassen. In einer anderen Konstellation wäre auch keines der bisher erreichten Verhandlungsergebnisse durchsetzbar. Das Ergebnis wäre ein politischer Stillstand in der Mitte Europas.
  • Eine Neuwahl bietet keinerlei Gewissheit, dass sich die politische Großwetterlage verändern wird – geschweige denn neue Mehrheiten in Aussicht stellt.

Eines ist klar: Niemand in der SPD „wünscht“ sich eine Große Koalition. Dennoch entbindet uns die Ablehnung gegen diese Regierungskonstellation nicht von der Pflicht, Verantwortung für unser Land und für Europa zu übernehmen. Sie ist und bleibt in der derzeitigen Lage die beste aller schlechten Möglichkeiten.

Am kommenden Sonntag entscheidet der Parteitag in Bonn, wie es weitergehen soll. Ich möchte, dass am Ende die Mitglieder darüber entscheiden, ob die SPD in eine Große Koalition gehen soll. Die anstehenden Koalitionsverhandlungen müssen genutzt werden, die bisherigen Vereinbarungen zu präzisieren und – wo immer möglich – weitere Ziele durchzusetzen.